Allez les Bleus!
Fünf Jahre Theatersport im Freiburger Theatercafe

Theaterpublikum ist irgendwie fein. Fein gekleidet und/oder feingeistig. Theatersport-Publikum, das sind - gut-gekleidet und geistreich: Fans. Und Fans sind treu und tatkräftig, das weiß man aus den Stadien. Dass der irrwitzig improvisierte Mix von Theater und Sport bis in die letzte Zuschauerreihe seine unwiderstehliche Wirkung entfaltet, hat sich in den letzten Jahren herumgesprochen. Seit fünf Jahren nämlich texten und turnen Freiburgs erste Theatersportler Theater L.U.S.T. schon auf hiesigen Bühnen. Dieser Tage wurde das Jubliläum im Theatercafe gefeiert.

Alle zwei Wochen zelebrieren die theatralen und sportlichen Improvisateure hier ihre zahlreichen Disziplinen -in aller Regel (und erst recht am Jubiläumsabend) vor ausverkauftem Haus. Jeder Auftritt ein Helmspiel - Niederlagen ausgeschlossen. Unerlässliches Zubehör zu einem Theatersportwettkampf sind, man ahnt es, Mannschaften, die es anzufeuern gilt: „Allez les bleus!" skandiert die linke Hälfte des Publikums. „Jetzt kommt Gelb!" kontert die andere Hälfte. Knecht Ruprecht im jambischen Revierkampf.

Wohlgefallen über besonders gelungene Darbietungen äußert sich dann während des Wettkampfs nicht nur in Sprechchören, sondern auch in Bonbonwerfen. Missfallen zeigt sich an zusammengeknüllten Zeitungsbollen, die in Richtung Bühne fliegen. Gegebenenfalls auch mal in Richtung Jury. An die-sem Abend sind die Juroren als ehemalige Theater-„Lüstlinge" ausgewiesene Fachleute. Sonst bewerten Zufalls-Preisrichter die sechs Theatersportler.

Sportlich ist dann auch gleich die erste Disziplin: „Marathon mit Gegen- stand". Langjährige Fans liefern da gleich schon Gegenstände zur Auswahl: Föhn, Messbecher und Totenkopf. Der Totenkopf macht das Rennen und Annika legt los, klappt den knöchrigen Unterkiefer auf und erklärt Mitspieler Konstantin den Gegenstand kurzerhand als Mausefalle. Freeze. Sylvia übernimmt für Annika und ermuntert Konstantin als Gymnastiklehrerin jetzt zur Ballgymnastik. Freeze. Der Totenkopf wird zur Handgranate und gleich darauf zum Fetisch, die Akteure drohen, meditieren und kicken. Bonbons fliegen auf die Bühne.

8:12 liegen nach diesem Durchgang die drei Blauen zurück, eine strenge Wertung, die mit Zeitungsbollenbewurf geahndet wird. Danach ist Stegreif-Reimen angesagt, die Publikumswahl für's Thema fällt saisonbedingt auf „Weihnachten ganz anders". Knecht Ruprecht und Weihnachtsmann tragen hier also jambische Revierkämpfe aus, das Rentier fleht im Schussfeld: „Erschieß mich nicht, du lieber Mann, ich häng doch an dem Schlitten dran."

Die Gelben bauen ihren Vorsprung aus, anschließend allerdings werden, theatersporttypisch, die Mannschaften neu gemixt. Es folgen gespielt, gesungen und sogar gesteppt, etliche kurze komische Improvisationen als „Gefühlsachterbahn" oder „Genre Replay", allesamt am Keyboard von Martin Glönkler musikalisch begleitet - frei improvisiert, versteht sich. In kurzweiligem Wechsel begeistern alle Sechs als „Stimmen aus dem Jenseits" und als Gestalter eines „Traumtages" - oder als gründlich gealterte Theater-Lustige im Jahr 2052. Am Ende wird „Gelb" als Champion von den Akteuren und den Fans bejubelt wie im Stadion.
Julia Littmann (Badische Zeitung)