Irgendwie geht's immer weiter
Theater L.U.S.T. aus Freiburg improvisierte in Kressbronn,
was das Zeug hält – Publikum gekonnt ins Geschehen einbezogen

Klack. Die Augen im Publikum gehen auf. Auf der Bühne sieht man einen Mann mit verzausten Haaren, ange-winkelten Armen und irrem Blick auf einem Tisch stehen. Neben ihm auf dem Boden hockt in ähnlicher Haltung eine Frau, die Augen weit aufgerissen, die Zunge klemmt zwischen den Zähnen. Und das Publikum? Kreischt, kichert, lacht sich schlapp und schmeißt Bonbons durch die Luft. Wer am Samstagabend durch die Fenster der Kressbronner Lände gespickt hat, der dürfte ernsthaft an der Menschheit gezweifelt haben.

Sei's drum, innen drin hatte man seinen Spaß und die „Dia-Show" ging weiter. Die Regeln waren einfach: Bei „Klick" gingen die Augen im Publikum zu und wenn sie bei „Klack" wieder geöffnet wurden, war auf der Bühne ein neues Dia zu sehen, frei nach dem gewünschten Motto des Publikums, in diesem Fall „Im Hamsterkäfig". Geladen zu diesem Abend hatten die befreundeten Lions-Clubs aus Linz und Schwarbach. Ein „kultureller Höhepunkt" sollte es werden, so der Initiator Tilman Giggiberger, und passender könnte man auch gar nicht bezeichnen, was das Improvisationstheater L.U.S.T. aus Freiburg an diesem Samstag auf der Bühne fabrizierte, produzierte und zum Besten gab. Man kam einfach aus dem Lachen nicht mehr heraus, egal ob beim Zettel-Spiel, der ABC-Szene, dem Emotional-Replay oder wie die verschiedenen Szenen noch alle hießen. Zu jeder einzelnen .durften die begeisterten Zuschauer selbst den Titel aussuchen. Und auch wenn dabei Dinge herauskamen wie: „Das Mädchen aus der Feenwelt, das plötzlich in die Wehen fällt".

Nichts war zu schwer, nichts war zu konfus, die drei Schauspieler schreckten vor nichts zurück. Wenige Sekunden nur hatten sie Zeit, um unter diesem Titel eine ganze Szene zu assoziieren und immer weiter auszuspinnen. Kein Problem für Profis wie die Gruppe des Freiburger Theaters: Seit 1996 stehen sie mit ihren Improvisationen auf der Bühne, da stellt sich schon eine gewisse Routine ein, auch wenn keine Vorstellung ist wie die andere. Trotzdem: Als wäre das nicht schon schwer genug, gab es noch weitere Vorgaben. So wurden beispielsweise in der Zettel-Szene während dem Spielen Blätter vom Boden aufgehoben, auf die das Publikum vorher die unsinnigsten Sätze geschrieben hatte, die dann in die Szene eingebaut werden mussten. Aber wie zum Teufel bringt man den Satz „Langenargen ist viel schöner als Kressbronn" unter, wenn man einen Bergsteiger auf dem Säntis spielt, der keine Ahnung hat, wie er von diesem Berg wieder herunterkommen soll? Gefiel die Szene, flogen die Bonbons, war sie weniger einfallsreich, durften die Zuschauer ihren Gefühlen freien Lauf lassen, und die Spieler mit Zeitungsbällchen bombardieren.

Ein gelungener Abend voll skurrilem Nonsens, einer guten Portion Zufall und vor allem erstaunlichem Talent der wunderbaren Spieler Bei allen Schwierigkeiten, die so eine Vorstellung mit sich bringt, einen Vorteil gibt es doch: Wenigstens den Text kann man nicht ver-gessen. Weitergehen muss es immer, und wenn einem wirklich mal gar nichts einfällt, muss halt der Kollege einspringen. Weiß der auch nichts mehr, hilft nur noch eins: Das Publikum muss mitmachen. Da rennen dann fünf, zehn erwachsene Menschen hinter dem Rattenfänger von Hameln durch die Zuschauer, andere müssen spontan als Hamster bei der „Dia-Show" herhalten: Einfach nur dasitzen und zugucken ist nicht drin. Wie gut die Gruppe in Kressbronn ankam; war nach der Vorstellung nicht zu überhören: Der nicht enden -wollender Applaus zeigte: Die Zuschauer konnten von L.U.S.T. nicht genug bekommen.

KATRIN STRECKENBACH